BAUMMIETER SIND DIE BOTSCHAFTER DES FREIEN WALDES IN DER STADT
Zehn Baummieter wachsen aus den Fenstern des Kunst¬HausWien in der Unteren Weißgerberstraße in Wien. Baum¬mieter sind weithin sichtbar und kommen vielen Menschen zugute, insbesondere den Menschen, die rund¬herum gehen und wohnen.
Der Baummieter symbolisiert eine Wende, in der dem Baum wieder ein bedeutender Stellenwert eingeräumt wird als Partner des Menschen.
Die Beziehung Mensch - Vegetation muß religiöse Ausmaße annehmen. Nur wenn du den Baum liebst wie dich selbst, wirst du überleben.
Wir ersticken in unseren Städten an Luftverpestung und Sauerstoffmangel, die Vegetation, die uns leben und atmen läßt, wird systematisch vernichtet. Wir laufen an grauen, sterilen Hausfassaden entlang. Es ist deine Pflicht, der Vegetation mit allen Mitteln zu ihrem Recht zu verhelfen.
Die Autos haben die Bäume in die Stockwerke verdrängt.
Die senkrechten, sterilen Wände der Häuserschluchten, unter deren Aggressivität und Tyrannei wir täglich leiden, werden zu grünen Tälern, wo der Mensch frei atmen kann.
Die Baummieter bewohnen einen circa einen Quadratmeter großen, loggiaartigen Bereich, der vom Innenraum fachgerecht getrennt ist. Fenster wurden zurückgesetzt, der Besucher kann von innen auf die Baummieter und auch hinausschauen. Ein Kubikmeter Erde garantiert, daß die Bäume ziemlich groß werden können.
Der Baummieter zahlt seine Miete mit wahren Werten:
1. Baummieter erzeugen Sauerstoff.
2. Baummieter verbessern das Stadt- und Wohnklima beträchtlich durch Milderung der Gegensätze feucht-trocken und warm-kalt. Weniger Kopfweh - mehr Wohlbefinden.
3. Baummieter sind eine Staubschluck- und Staubfilteranlage. Besonders der feine, giftige Staub, den auch die Staubsauger nicht schlucken können, wird von den Baummietern in ihrem Bereich weitgehend neutralisiert und abgebaut. Die Hausfrauen haben weniger Staub in den Wohnungen.
4. Baummieter sind Lärmschlucker. Der Straßenlärm wird gemildert, da die Echowirkung der senkrechten Häuserschluchten eingedämmt wird.
5. Baummieter bilden einen teilweisen Sichtschutz und erzeugen Geborgenheit.
6. Baummieter spenden Schatten im Sommer, lassen aber Sonnenlicht im Winter durch, wenn die Blätter abgefallen sind.
7. Es kommen Schmetterlinge und Vögel.
8. So kommt die Schönheit und die Lebensfreude wieder im Zusammenleben mit einem Stück hauseigener Natur.
9. Ein Baummieter ist ein weithin sichtbares Symbol der Wiedergutmachung an der Natur, der ein kleines Stück Erde zurückgegeben wird von den immensen Territorien, die wir Menschen der Natur widerrechtlich weggenommen und zerstört haben.
Der Baummieter ist ein Geber, er ist ein Stück Natur, ein Stück Heimat, ein Stück Spontanvegetation in der anonymen, sterilen Wüste der Stadt, ein Stück Natur, das vom Menschen und seiner Technokratie unkontrolliert und unbevormundet wachsen kann.
JEDER BAUM MEHR - EINE CHANCE MEHR.
Verfasst 1980/1991/1996
Publiziert in:
Goritz, Christoph: Auseinandersetzung mit einer Wechselbeziehung. Leipzig: Ernst Klett Schulbuchverlag 2002, S. 43 (Auszug).
Restany, Pierre: Hundertwasser. New York: Parkstone Press International 2008, S. 185
Sammelmappe für den Hundertwasser-Pfad, Fernwärme Wien, Wien 2009