DER ANTIPODISCHE ZEITTIMER

Friedensreich Hundertwasser

Wir leben in einer absurden Anti-Zeit. Werte werden auf den Kopf gestellt.
Häßliches wird als ehrlich und erstrebenswert dargestellt. Schönes als populistischer Kitsch gebrandmarkt.

Die Zeit, die Uhr werden zum Symbol der rasenden Termine.


Eine Besinnung auf ewige Abläufe in Harmonie mit der Natur und der Schöpfung ist mehr vonnöten als je zuvor. Zeitlosigkeit - beständige Werte, das Wissen um den Kosmos, wo es kein Oben und Unten, kein Rechts und kein Links, keinen Uhrzeigersinn gibt. Deswegen zeigt der antipodische Zeittimer eigentlich keine Zeit im Sinne unserer Business-Mentalität an, sondern eine Anti-Zeit.

Nicht die Zeit ist wichtig, sondern der organische Ablauf von Geschehen in organischer, schöner Form. Die Zeit soll neues Leben schaffen, langsam, spiraloid, vegetativ und sicher und kreativ. Die Zeit soll nicht zerstören die vorige Zeit und panische Angst erzeugen vor der morgigen Zeit, die übermorgen schon tot ist.

Daher hat der antipodische Zeittimer nach rechts wie auch nach links laufende Zeiger in einem nicht kreisrunden, sondern organisch eingebuchteten Gehäuse, das man auch senkrecht in mehreren Positionen aufstellen kann. Bleibende Werte sind ebenso vertreten wie Ökologie und Kreativität. Zeiteinteilung ist eine menschliche, irrige Idee und Erfindung, so wie die gerade Linie, es gibt aber nur Ewigkeit und organische Abläufe. Daher soll dieser antipodische Zeittimer diesen übergeordneten Gesetzen ein Gleichnis sein.

 

Verfasst 1. November 1990 für eine Broschüre zum Werk 908 UNREGELMÄSSIGES DOPPELSEITIGES UHR-OBJEKT.

Publiziert in:

Broschure, Männedorf/Glarus 1992

Schmied, Wieland (Hg.): Hundertwasser 1928–2000, Catalogue Raisonné / Werkverzeichnis. Vol. II: Fürst, Andrea Christa: Catalogue Raisonné / Werkverzeichnis. Köln: Taschen 2002, S. 1080 (Deutsch und Englisch)

Der unbekannte Hundertwasser. Katalog zur Ausstellung im KunstHausWien. München: Prestel Verlag 2008, S. 206