Über Hundertwassers Art-Club Text

Walter Schurian

Gegen die Gleichschaltung von Gesinnung und Verhalten richtet sich auch der 1952 geschriebene, 1953 gedruckte Ausstellungstext für den Art Club in Wien.

... Er [Hundertwasser] sah nämlich eine Gleichschaltung im Entstehen, die sich nicht wesentlich von der bekämpften nazistischen unterschied. Er sah die Massen in den Ländern des Ostblocks im Gleichtakt marschieren genauso wie etwa in den Vereinigten Staaten, obgleich dort auf andere Weise. Er erahnte wohl, dass das alte vordergründige, brutal laute faschistische Regime tot war, dass aber ein anderes, weitaus subtileres für die Zukunft nicht auszuschließen sei. Und er sollte recht bekommen.

Was mittlerweile auch von anderen erkannt wird, nämlich die Gefahren totalitärer Machtstrukturen und Verhaltensweisen im demokratischen Gewande, las er aus den alltäglichen Kleinigkeiten der damaligen Zeit heraus, etwa aus den Löffeln und Tellern in Massenproduktion, mit denen die ausgehungerten Kinder in Wien die Suppen der Besatzungsmächte schlürften. Alle sahen gleich aus, alle waren nach einem Einheitsmuster gestanzt und millionenfach verbreitet. An dieser banalen Kleinigkeit tat sich ihm der Geist, der es hervorbrachte, kund. Er hatte die Vision, dass alle Menschen das gleiche tun, sich gleich kleiden, gleich denken, gleich gehorchen. Alles Individuelle, alles Unterschiedliche bleibt dabei auf der Strecke.

...

Das aber stellt den Nährboden für den Verlust der Freiheit dar, die im Menschen immer auch das Eigenartige, Individuelle und andere verlangt. Wenn also Hundertwasser vordergründig polemisch die alle gleich ausschauenden Löffel verurteilt, dann zielt er in Wirklichkeit ab auf die dahinter sich befindliche Gestalt des Menschen. Er wittert die Gefahr der gleichen Anschauungen, der gleichen Urteile, Werte, Geschmäcker und der gleichartigen Verhaltensweisen. ...

 

Publiziert in:

Schurian, Walter (Hg.): Hundertwasser – Schöne Wege, Gedanken über Kunst und Leben. München: Langen Müller Verlag 2004, S. 309-310