DIE FAHNE DES GELOBTEN LANDES
Die Fahne ist das Symbol der Versöhnung
zwischen dem jüdischen und dem arabischen Volk.
Der lange Krieg ist zu Ende.
Beide Völker erkennen sich in der Fahne,
denn die Fahne repräsentiert ein Land.
Es wäre sinnlos, sich wegen Grenzen gegenseitig umzubringen.
Es wäre Selbstmord.
Die Fahne stellt den neuen Glauben der semitischen Völker dar.
Die Fahne repräsentiert nicht irgendein Land, das territorial begrenzt ist.
Die abstrakten, künstlichen und unstabilen Grenzen zwischen den
arabischen und jüdischen Völkern werden sinnlos und verschwinden.
Das Land kann innerhalb Israels liegen oder auch innerhalb Palästinas.
Es kann im Orient sein,
es kann Asien und Afrika umfassen,
es kann die ganze Erde angehen.
Es ist die Fahne des gelobten Landes.
Die Fahne ist weiß, Symbol des Friedens,
der sechseckige blaue Stern Davids stellt die jüdische Welt dar.
Blau ist die Farbe des Himmels,
des Wassers, Spender des wachsenden Lebens.
Es ist die Farbe der Unendlichkeit und des seherischen Geistes des Menschen.
Der grüne Halbmond ist das Symbol des Islam.
Grün ist die Farbe der Bäume und des Pflanzenreiches.
Es ist die Sehnsucht nach unendlicher fruchtbarer Erde,
voll von Wäldern und Wiesen, wo Milch und Honig fließen.
Grün ist die Farbe der Hoffnung,
Grün ist die Farbe des Propheten Mohammed.
Beide Religionen sind dargestellt, beide Völker sind für eine neue Zukunft vereint.
Es ist die Fahne des guten Willens, es ist die Fahne der Toleranz,
unter der Glauben und Lebensweise des anderen Volkes geschützt sind.
Die Fahne stellt eine Versöhnung
von unmeßbarer psychologischer Tragweite dar.
Es ist wie eine Befreiung nach langer Düsternis.
Der grüne arabische Halbmond ist weit wie der Horizont,
wie eine Schale oder offene Hände.
Er hält den blauen Stern der Juden wie einen Edelstein.
Der ararbische Mond beschützt den Stern der Juden,
der seinem Schicksal nicht entrinnen kann.
Es ist das Symbol der wechselseitigen Abhängigkeit,
es ist das Symbol der gegenseitigen Befruchtung.
Die Fahne veranschaulicht die historische Verflechtung beider Völker
besser als es Worte vermögen.
Unter dieser Fahne wäre es unmöglich und sinnlos sich gegenseitig zu bekriegen, sich gegenseitig zu verletzen, sich gegenseitig hinausdrängen zu wollen.
Die semitischen Völker innerhalb und außerhalb der gegenwärtigen und zukünftigen Grenzen erkennen die Fahne als Symbol ihrer Heimat.
Die Fahne ist das Symbol einer neuen Ära der Liebe
und Zusammenarbeit im Orient.
Es ist die Fahne des Gelobten Landes.
Die Fahne kehrt zurück zum Ursprung, weit von dem vermeintlichen Zwist
im Namen Zions und Mohammeds, der niemals gewollt war.
Die Fahne kehrt zurück zu Abraham.
Es ist die Fahne der Einheit.
Es ist die Fahne des Gelobten Landes.
Geschrieben in Kaurinui Ao Tea Roa am 3. September 1978 als Begleittext zum Entwurf der Friedensfahne für das Gelobte Land.
Publiziert in:
Kataloge zur Welt-Wanderausstellung 1975–1987: Englische Ausgabe: London, 1983. Deutsche Ausgabe: Köln, 1980; Wien, Graz, 1981.
Schurian, Walter (Hg.): Hundertwasser – Schöne Wege, Gedanken über Kunst und Leben. Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv): München 1983, S. 146-148 und Ausgabe 2004 (Langen Müller Verlag, München), S. 180-184
Schmied, Wieland (Hg.): Hundertwasser 1928–2000, Catalogue Raisonné / Werkverzeichnis. Vol. II: Fürst, Andrea Christa: Catalogue Raisonné / Werkverzeichnis. Taschen: Köln 2002, S. 1056-1057 (Deutsch und Englisch)
Hundertwasser. Parkstone Press International: New York 2008, S. 110-111