REDE ZUR ÖKOLOGIE
Wir müssen einen Friedensvertrag mit der Natur abschließen.
Wir müssen der Natur Territorien zurückgeben, die wir uns widerrechtlich angeeignet haben.
Nur die Spontanvegetation ist ein geeigneter Partner für einen Friedensvertrag des Menschen mit der Natur.
Wenn der Mensch Territorien, die der Natur gehören, für sich in Anspruch nimmt, so zerstört er sie üblicherweise.
Der Mensch ist der gefährlichste Schädling, der je die Erde verwüstet hat.
Der Mensch muß sich selbst in seine ökologischen Schranken zurückverweisen, damit die Erde sich regenerieren kann.
Alles, was waagerecht unter freiem Himmel ist, wo Regen und Schnee hinfallen, das gehört der Natur. Spontanvegetation muß in unseren Städten wachsen.
Wir sind nur Gast der Natur und müssen uns dementsprechend verhalten.
Wir müssen darauf achten, daß wir die Kreisläufe nicht zerstören.
DER KREISLAUF VOM ESSEN ZUR SCHEISSE FUNKTIONIERT.
DER KREISLAUF VON DER SCHEISSE ZUM ESSEN IST UNTERBROCHEN.
Jedesmal, wenn wir die Wasserspülung betätigen, im Glauben, eine hygienische Handlung zu vollziehen, verstoßen wir gegen kosmische Gesetze, denn in Wahrheit ist es eine gottlose Tat, eine frevelhafte Geste des Todes.
IM NAMEN FALSCHER HYGIENISCHER GESETZE
VERLIEREN WIR UNSERE KOSMISCHE SUBSTANZ,
VERLIEREN WIR UNSERE WIEDERGEBURT.
WIR HABEN TISCHGEBETE VOR UND NACH DEM ESSEN
BEIM SCHEISSEN BETET NIEMAND.
WIR DANKEN GOTT FÜR UNSER TÄGLICH BROT,
DAS AUS DER ERDE KOMMT,
WIR BETEN ABER NICHT,
AUF DASS SICH UNSERE SCHEISSE WIEDER UMWANDLE.
WENN WIR UNSERE SCHEISSE NICHT SCHÄTZEN
UND IN HUMUS UMWANDELN ZU EHREN GOTTES UND DER WELT,
VERLIEREN WIR UNSERE BERECHTIGUNG,
AUF DIESER ERDE ANWESEND SEIN ZU DÜRFEN.
Es gibt keine Abfälle.
Abfälle existieren nicht.
Es gibt keine Energiekrise.
Hat die Natur eine Energiekrise?
Haben die Vögel, die Bäume eine Energiekrise?
Nur der Mensch bildet sich ein, eine Energiekrise zu haben, weil er wahnsinnig geworden ist.
Wir leben im Paradies, aber wir zerstören es.
Wasser ist eine heilige Substanz genau so wie die Luft, die Erde und die Vegetation.
Jeder von uns vergiftet täglich 95 Liter Trinkwasser, indem er die Wassertoilette benutzt. Das heißt eine Stadt mit 1 Million Einwohnern verwandelt 95 Millionen Liter Trinkwasser in 95 Millionen Liter Gift.
Unsere technischen Errungenschaften sollten mit unserem kreativen Verantwortungsbewusstsein mithalten, doch hinken wir leider weit hinterher.
Wir dürfen zum Beispiel keine Maschinengewehre besitzen und wahllos Leute töten, denen wir auf der Straße begegnen und die wir nicht mögen. Wenn wir ein Auto kaufen, müssen wir einen Führerschein haben, um es benützen zu können, denn dieses Auto ist gefährlich in den Händen von jemandem, der nicht fahren kann.
Aber wie kann es sein, daß jeder Waschmittel und chemische Reinigungsmittel verwenden und damit töten kann, ohne daß er überhaupt weiß, daß er mit diesen chemischen Mitteln tötet?
Die kriminelle Werbung sagt uns, wie wir sauber zu werden haben. Die kriminelle Werbung sagt uns, wie wir sauber werden mit Hilfte von Seifen und Waschmitteln. Aber das sind Lügen. Je sauberer unser Hemd, je sauberer unser Haus, umso mehr Schmutz kommt in unsere Umwelt, nicht nur Schmutz, sondern auch Tod.
Die Ufer der Flüsse, Seen, die Meere und alle Aulandschaften gehören der Natur und sollten für den Menschen unantastbar sein.
Die Natur wird uns danken, indem Sie uns vor Überschwemmungen aber auch vor Trockenheit bewahrt, indem sie uns sauberes Wasser zum Trinken und Schwimmen gibt wie auch Nahrung und Fische. Wir müssen dafür sorgen, daß das Wasser, das unsere Häuser verläßt, genau so sauber ist wie wir es aus der Wasserleitung entnommen haben.
Das ist keine Utopie.
Man kann das eigene Abwasser reinigen und recyceln, alle eigenen Flüssigkeiten wie Urin, Wasch- und Abwaschwasser und Wasser aus dem Badezimmer mit unserer eigenen Wasserkläranlage klären.
Die Wasserkläranlage funktioniert mit der Hilfe schöner Pflanzen, die für uns arbeiten und sich daran erfreuen, dass der Schmutz im Wasser zu Pflanzensubstanz transformiert wird. Im eigenen Haus übernimmt man Verantwortung über das eigene Wasser.
Uns allen entgleitet die Kontrolle und die Verantwortung für unser Tun – den Ärzten, Lehrern, Bauern, Politikern, Wissenschaftern, Priestern, Ökonomen u. a. m.
Der Architekt agiert wie ein Kriegsverbrecher. Er führt Befehle aus gegen sein Gewissen und baut Häuser, in denen die Seele des Menschen zugrunde geht.
Die gerade Linie ist gottlos und unmoralisch.
Lineale und Reißschienen sind Werkzeuge des Verfalls unserer Gesellschaft.
Die moderne Kunst ist ein Horrorpanoptikum geworden.
Die zeitgenössische Kunst ist eine intellektuelle Onanie geworden, erzwungen als kurzlebiges Statussymbol. Hässlich, leer, kalt, gottlos, ohne Schönheit, ohne Herz.
Der avantgardistische Künstler trampelt so in Ruinen herum und zerstört Werte, für die er selbst verantwortlich wäre, verzweifelt auf der Suche nach etwas, was er noch vernichten kann. So wird die Kunst pervers.
Der präpotente kulturpolitische Machtanspruch dieser nihilistischen Avantgarde ist ähnlich dem kulturpolitischen Machtanspruch des Dritten Reiches in Hitler-Deutschland, nur mit umgekehrten Vorzeichen und anderer Tendenz.
Die Museen der zeitgenössischen Kunst sind Krankenhäuser unserer kaputten Gesellschaft, worin unsere Zivilisationskrankheiten kultiviert und konserviert werden, statt sie zu heilen.
Ein Museumsdirektor müßte haftbar sein für seine Handlungen und muß ins Gefängnis kommen können, wenn er mit öffentlichen Geldern Plunder kauft.
Unser wahres Analphabetentum ist nicht das Unvermögen, lesen und schreiben zu können, sondern das Unvermögen, wahrhaft schöpferisch tätig zu sein.
Wir müssen Schönheitshindernisse schaffen, damit die Welt wieder größer wird.
Wenn jeder von uns kreativ ist, brauchen wir nicht weit zu gehen, denn das Paradies ist gleich um die Ecke.
Rede anlässlich der CEE benefit reception, Center for Environmental Education, Washington, 15. Dezember 1982. Der Text wurde von Hundertwasser ursprünglich in englischer Sprache verfasst.