Über Hundertwasser Tapisserien

Hildegard Absalon

Sehr geehrter Herr Brockstedt!

Sie haben mich gebeten, eine kurze Einleitung zum Katalog Ihrer Ausstellung von Gobelins nach Bildern von Friedensreich Hundertwasser, zu schreiben. Ich komme Ihrer Anregung gerne nach, weil sie mir die Gelegenheit gibt, meine eigene Beziehung zum Gobelin zu klären.
Ich habe oft den Eindruck, dass das Weben von Bildteppichen als Rest einer feudalen Kunst angesehen wird, als Relikt aus einer Zeit, in der es noch keinen Unterschied zwischen „reiner“ Kunst und Kunsthandwerk gab. Für mich ist das Gobelinweben eine meiner Persönlichkeit gemäße Form des künstlerischen Ausdrucks. Mit meiner Arbeit versuche ich die ursprüngliche Einheit von Kunst und Kunsthandwerk wiederherzustellen.
Durch die Übertragung von Malerei in Weberei entsteht eine neue Art von Bildsprache, die, durch die Webtechnik bedingt, ihre eigenen Gesetze hat. Dazu kommt, dass durch die Individualität des Webenden, ein eigener Stil entsteht. Die sehr unterschiedliche Interpretation der Werke desselben Künstlers durch verschiedene Weber wird in Ihrer Ausstellung sicher sehr deutlich zu sehen sein. Einen Gobelin zu weben ist eine Arbeit, die viel Zeit und Konzentration erfordert, die aber durchaus auch Ruhe und Konzentration geben kann, denn Unruhe muß zu Ruhe werden und Ungeduld zu Geduld, wenn man sich an den Webstuhl setzt. Ich experimentiere gerne mit verschiedenen Materialien, bemühe mich um Details und Feinheiten, die man auf den ersten Blick vielleicht gar nicht bemerkt. Aber macht nicht gerade das den Reiz eines Bildteppichs aus, das er zum genauen Anschauen zwingt? So, wie die Arbeit am Gobelin Ruhe, Konzentration und viel Überlegung erfordert, braucht man auch Zeit und Ruhe, ihn zu betrachten.
Die Zusammenarbeit mit Hundertwasser ist für mich ideal. Weil er selbst eine starke Beziehung zum Bildteppich hat, lässt er dem Weber viel Spielraum. Durch seine starken Farben, die flächige Linienführung und ornamentale Gliederung eignen sich seine Malereien besonders gut für die Übertragung in die Gobelintechnik, was ja auch Sie, Herr Brockstedt, als Sie vor vielen Jahren zum erstenmal einen von mir verfertigten „Hundertwassergobelin“ sahen, sofort erkannten und in der Folge mit viel Ausdauer förderten und unterstützten.
Mit besten Grüßen Ihre                Hildegard Absalon!

 

Publiziert in:

Kat. der Ausstellung Hundertwasser Gobelins, Galerie Brockstedt, Hamburg, 1977