SPIRALBAUM - Briefmarke - 45-jähriges Jubiläum

10. Dezember 2020
Spiralbaum-Briefmarke der österreichischen Post, 1975
So wie Hundertwasser in der Architektur die hässlichen, seelenlosen Bauten aus Fertigteilen kritisierte, so sah er auch die Briefmarken immer hässlicher werden. Dabei war gerade von Wien eine Bewegung ausgegangen, die die Briefmarke zu einem Kunstzweig gemacht hatte, als einer der führenden Maler der Wiener Secession, Koloman Moser im Jahr 1906 mit einer Serie von Briefmarken beauftragt wurde und er diese Briefmarken in einem modernen Stil entwarf und in einem meisterhaften Stichverfahren drucken ließ. Waren aber die Briefmarken von Koloman Moser und auch die der nachfolgenden Entwerfer Reproduktionen von Vorlagen, so bereitete Hundertwasser den Weg für eine entscheidende Neuerung, denn nun sollte ein originaler künstlerischer Entwurf der Briefmarke zugrunde gelegt werden, und nicht bloß eine Reproduktion eines beliebigen, existierenden Bildes so wie eine Verschlussmarke.

 
Deshalb wandte er sich 1974 an den zuständigen österreichischen Minister Erwin Lanc mit dem Vorschlag, ein Mal im Jahr eine von einem österreichischen Künstler gestaltete Briefmarke herauszugeben. Die österreichische Post startete mit Hundertwassers "Spiralbaum" (Erstausgabetag: 11. Dezember 1975) die Serie "Moderne Kunst aus Österreich".Bis 2008 erschienen 34 Briefmarken in dieser Serie. Hundertwasser und Walter Koschatzky betreuten bis zu ihrem Tod die Auswahl für die Post, wobei sich Hundertwasser zusätzlich für die direkte Zusammenarbeit zwischen dem jeweiligen Künstler und dem Stecher, Wolfgang Seidel, einsetzte.
 
Hundertwasser und Briefmarkenstecher Wolfgang Seidel anlässlich ihrer Zusammenarbeit 1995 in der Österreichischen Staatsdruckerei.
Schon als Kind hat Hundertwasser Briefmarken gesammelt, sie waren ihm Fenster zur Welt und Wegweiser zur Malerei.
1943 schrieb er in seinem Gedicht „Das Geheimnis der Briefmarke“:

Doch falls du ein Außenseiter bist, der diese Zeilen liest,
Und wenn du Freude vermißt, weil etwas an deinem Leben frißt, 
Glaub meinem und and'rer Sammler Rat, was am besten ist: 
Schaue Natur, betreibe Sport oder werde Philatelist!


Die Begeisterung für Briefmarken hat ihn sein Leben lang begleitet. Er hat großen Wert darauf gelegt, wann immer er einen Brief oder eine Karte verschickte, besonders schöne Marken zu verwenden. Er hat für das notwendige Porto immer mehrere Marken aufgeklebt, damit das Erscheinungsbild des Kuverts besonders bunt und vielfältig würde. Briefmarken waren für ihn Botschafter eines Landes und seiner Kultur, seiner Landschaft und Eigenart.
 
1979 schrieb er anlässlich einer Briefmarken-Ausgabe für Senegal 1979:
Briefmarken habe ich sehr geliebt, lange bevor ich Maler wurde. Für mich war es ein großes Glück, die kleinen bunten Bilder zu sammeln, die von weither kamen, und sie abzulösen (…)
Die Briefmarken und ihre Schöpfer waren für mich die wahren Botschafter dieser Erde, die wahren Abgeordneten eines Weltparlamentes · Die kleinen Bilder kann man bei sich tragen, in kleinen Büchern. Sie sind wie Kultobjekte, wie Ikonen.





Kurz nach Ende des 2. Weltkriegs führte Hundertwasser eine rege Korrespondenz mit Philatelisten auf der ganzen Welt. Hier sieht man ihn mit einer Schachtel, die diese alte Korrespondenz enthält. Foto Peter Lehner. (c) Kronen Zeitung.