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EGLISE BOSSUE SOUS LA PLUIE
BUCKLIGE KIRCHE IM REGEN
Humpbacked Church in the Rain
Vienna, 1962
Painted in Tyrol - Vienna, September 1962
345 mm x 475 mm
Aquarell und Goldbronze auf unregelmäßigem Packpapier mit Kreide-Polyvinyl-Grund
- W. Schmied, Hundertwasser, Feldafing, 1964 and ed. 1973, pp. 13 (c), 45
- Das Hundertwasser Haus, Vienna 1985, p. 32 (c)
- A. C. Fürst, Hundertwasser 1928-2000, Catalogue Raisonné, Cologne, 2002, Vol. II, pp. 445/446 (and c)
- F. Hundertwasser / P. Restany, Hundertwasser, New York, 2008, p. 150 (c)
- Regentag-Wassergläser für das Leben, Vienna, 2011, p. 28 (c, German edition)
- Kestner-Gesellschaft, Hanover, 1964, pp. 126 (c), 203
- Zielfelder RU 9, Munich, 1979, p. 75 (c)
- R. Bamming / M. Trendelkamp, Treffpunkt RU 7/8, Katholischer Religionsunterricht im 7./8. Schuljahr, Munich, 1991, p. 133 (c)
- S. Wille, Träume sind große Taten, Vienna, 1993, p. 69 (c)
- Th. Eggers, Gott und die Welt, Dusseldorf, 1993, p. 20 (c)
- Hundertwasser Bibel, Augsburg, 1995, AT, p. 628 (adaptation, c)
- Postcard, Buchheim Verlag, Feldafing, 1964
- Artcalendar 1974, Buchheim Verlag, Feldafing, 1974 (December, 28,5 x 40 cm)
- Hundertwasser 2004 Calendar, Taschen, Cologne
Hundertwassers Kommentar zum Werk
Ich habe hier ein architektonisches Problem behandelt und auch ein mystisches. Ich habe die Zwiebel sehr gern. Man hat mir gesagt, daß in vielen Ländern die Zwiebel als Gottheit verehrt wird. Sie gilt als Symbol der Fruchtbarkeit. Deswegen hat man Zwiebeltürme gebaut. Zur Architektur selbst: Ich bin für eine Architektur, die nicht gerade ist. Und ich kann mir sehr gut eine Kirche vorstellen, die gleichzeitig ein Berg ist. Merkwürdig: Ein buckliger Mensch wird als häßlich empfunden und einer, der keinen Buckel hat, als schön. Eine Kirche, die keinen Buckel hat, soll schön sein und eine Kirche, die einen Buckel hat, soll häßlich sein. - Da habe ich eben eine bucklige Kirche gezeichnet, die besonders liebesbedürftig ist - ich habe sie mit Goldfenstern besetzt. Das Bild ist auf einer Reise entstanden. Das Papier ist außen unregelmäßig. Ich habe sehr gern unregelmäßige Papiere und male den Rand oft äußerst liebevoll, und zum Zeichen, daß mir an dem unregelmäßigen Rand besonders liegt, rändere ich ihn noch besonders kostbar ein, so wie man mit Brokat einsäumt. Also mit Absicht, denn ich habe furchtbare Sachen erlebt: Man hat mir oft die unregelmäßigen Aquarelle zu Rechtecken zugeschnitten - und nicht nur das - man hat sie auch noch aufgeklebt auf Holz und Leinwand - und nicht nur das - man hat sie auch noch gefirnißt, um sie als Ölbilder verkaufen zu können. In Italien und in anderen romanischen Ländern ist das leider eine ganz schreckliche Krankheit, daß man Aquarelle nicht für vollwertig empfindet, sondern nur Ölbilder. Wenn man ein Aquarell hat, muß man es unbedingt in ein Ölbild verwandeln. Ich glaube, die Italiener haben das auch mit Klee gemacht. Das ist ganz entsetzlich. Ein fruchtbarer Vandalismus! Seltsam, daß gerade bei den Deutschen und Engländern das Aquarell so gehütet und geachtet ist und eben dort nicht. (aus: Hundertwasser, Buchheim Verlag, Feldafing 1964 und Ausg. 1973, S. 12)
Warum soll man eine bucklige Kirche nicht lieben können? Das Dach der Kirche ist eine Wiese auf einem Hügel. Man kann auf dem Dach der Kirche spazierengehen und im Gras sitzen und zu Gott beten, ohne zu wissen, daß darunter sowieso eine Kirche ist, in der man zu Gott betet.
Gott wohnt gerne in einer Kirche, in der unten innen Menschen schöpferisch sind und auf der oben die Natur schöpferisch ist. Das heißt, ein Haus, in dem Mensch und Natur Frieden geschlossen haben.
In anonyme, glatte, sterile menschen- und naturfeindliche Kirchen und Häuser geht Gott nicht hinein, denn er weiß, er rutscht dort aus und fällt hin.
(aus: Das Hundertwasser Haus, Wien 1985, S. 32)
Daß Häuser und besonders Kirchen Erde, Gras, Hügel und Bäume auf dem Dach haben müssen, davon war ich schon felsenfest überzeugt. Zu lange gilt schon die vermutlich falsche Bibelauslegung: "Macht euch die Erde untertan". Es wird Zeit, daß wir das Gegenteil tun: der Erde Territorien zurückgeben, die wir ihr widerrechtlich weggenommen haben. Alles was waagrecht unter freiem Himmel ist, gehört der Natur. Später, als ich 1987 neben der Kindertagesstätte in Heddernheim eine katholisch-evangelische integrative Schule samt Gotteshäusern plante und ein Modell herstellte, verhinderte der Bischof des Bistums Bamberg den Bau mit den Worten: "Der Mensch als Krone der Schöpfung darf keine Erde über sich haben". (aus: Hundertwasser 1928-2000, Catalogue Raisonné, Bd. 2, Taschen, Köln 2002, S. 445f.)